Das Ultrajahr 2016 – Rückblick durch die deutsche Brille
Ein Beitrag von Dr. Norbert Madry
Bevor die volle Aufmerksamkeit auf die neue Saison gerichtet wird, möchte ich das Ultralaufjahr 2016 kurz bilanzieren – natürlich aus deutscher Sicht. Denn insgesamt war es ein sehr gutes Jahr für die deutsche Ultralaufszene.
Gut vor allem in sportlicher Hinsicht – am besten kann man das mit einem Blick auf die Jahresweltbestlisten sehen:
4 Weltjahresbestleistungen (Nele Alder-Baerens über 50 und 100 km sowie im 6h-Lauf und Paul Schmidt über 50km) am Ende eines Jahres erreicht zu haben, ist ein überragendes Ergebnis. Es wirduntermauert durch weitere Top10-Platzierungen über 50 und 100km, im 6h- und 24h-Lauf, aber auch bei den seltener gelaufenen 12h- oder 48h- bzw. 6-Tage-Läufen: überall tauchen mindestens eine deutsche Frau oder ein deutscher Mann in den Top 10 auf. Unter diesem Link könnt Ihr Euch über die Filterfunktion oben durch die verschiedenen Disziplinen durchklicken.
Die internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Ultras zeigt sich auch in den 3 Team-Bronzemedaillen über 50km, Ultratrail und 24h und der Silbermedaille von Nele Alder-Baerens über 50km bei den internationalen Meisterschaften 2016.
Neue deutsche Rekorde wurden von Paul Schmidt über 50km und Nele Alder-Baerens im 6h-Lauf aufgestellt; AK-Rekorde wurden 2016 in allen Disziplinen von 50 und 100km, 6h, 12h, 24h, 48h und 6 Tagen verzeichnet, wobei Antje Krauses 235,2 km im Dezember in Barcelona erlaufener Sieg und W40-24h-Rekord auch ein „gefühlter neuer“ Rekord war: so weit ist ausser Sigrid Lomsky (1993 zu 243,7 km) keine deutsche Frau gelaufen. Folgerichtig auch Rang 5 in der Jahresweltbestenliste.
Beim Spartathlon wurden 2016 wegen der Terminnähe mit der 24h-EM keine Podestplätze erreicht; hier hielt aber Antje Müller mit Platz 6 das deutsche Ultra-Fähnchen aufrecht. Am Rennsteig beeindruckte Daniela Oeser mit einem neuen Streckenrekord, ebenso Anja Tegatz bei der TorTour de Ruhr und, und, und – ich bitte alle um Vergebung, die ich hier nicht nenne.
Aber die weiteren deutschen Meister neben Paul (50km) und Nele (50km, 100km, 6h) müssen in einer Jahresrückschau genannt werden: AndrèCollet (100km), Stu Thoms (24h) – die beide auch bei der jeweiligen WM bzw. EM und jeweils mit PB die besten Deutschen waren –, Antje Krause (24h), Manishe Sina und Florian Reichert (Ultratrail) sowie Adam Zahoran (6h). Denn die DMs 2016 waren sowohl von den Teilnehmerzahlen als auch der Leistungsdichte herausragend. Trotz der Terminballung, trotz der Probleme mit frühzeitiger Ausbuchung wurden die Skeptiker und Nörgler von den Athleten widerlegt: in den deutschen Jahresbestenlisten stehen regelmässig mindestens 5 Leistungen der jeweiligen DM in den Top10, wobei die 6h-DM in Nürnberg mit den 8 besten W- und 12 besten M-Leistungen hier herausragt: http://statistik.d-u-v.org/getdtbestlist.php?year=2016&dist=6h&gender=M&label=&Submit.x=12&Submit.y=11
Auch hier könnt Ihr Euch über die Filterfunktion wieder durch die verschiedenen Disziplinen durchklicken.
Erfreulicherweisehat sich der positive Trend auch bei der Anzahl der Deutschen, die in einem Jahr mindestens einen Ultrawettkampf laufen, fortgesetzt: 2016 wurde die Schallmauer von 10 000 durchbrochen, was wiederum einer Steigerung etwa 6% entspricht – und das bei Stagnation bzw. leichten Rückgängen in anderen Laufarten wie Marathons oder Strassenläufen allgemein. In unserer Statistik werden natürlich private (Trainings-)Läufe, aber auch reine Einladungsläufe und Gruppenläufe ohne Wettkampfcharakter erst gar nicht erfasst. An dieser Stelle der Dank an die Veranstalter solcher Ultra-Läufe, die wie Wettkämpfe zum Ultralaufen dazu gehören, und natürlich auch an diejenigen Veranstalter, die dafür gesorgt haben, dass in 2016 eine weitere Schallmauer durchbrochen wurde: erstmals sind mehr als 200 Ultrarennen in unserer DUV-Datenbank erfasst – ein bemerkenswerter Konter der leichten Delle von 2014 auf 2015!
Inwieweit die Fördermassnahmen der DUV zu den positiven Trends in der Spitze wie der Breite unserer geliebten Randsportart beigetragen haben, kann man nicht quantifizieren, aber herrlich darüber diskutieren. Angefangen vom Führen und Fortführen der Statistikdatenbank, über die Ausrichtung des DUV-Cups inklusive der 4 DUV-DMs, Führen einer Ultramarathon-Bundesliga-Wertung, Durchführung von Trainingslagern für alle Interessierten und für Spitzenathleten, Coaching und Betreuung sowie finanzielle Unterstützung der Ultra-Nationalteams wird allein auf sportlichem Sektor eine Menge versucht, das Ultralaufen in Deutschland zu fördern. Wir werden innerhalb der Laufszene inzwischen etwas ernster genommen; die Wahl von Nele zum DLV-„Ass des Monats“, der stark beachtete Vortrag von DUV-Präsident Jörg Stutzke beim DLV-Laufsymposium oder auch die vermehrte Berichterstattung über Ultraläufe (und nicht nur Ultraläufer als Exoten) in der Fachpresse können hier Indizien sein. Dennoch: die nun mehr als 10 000 aktiven Ultraläufer in Deutschland sind zwar „ultra-intern“ eine Errungenschaft, brauchen aber weiterhin ein starkes und unabhängiges Sprachrohr, um sich auch im sportpolitischen Wettbewerb überhaupt bemerkbar zu machen…