Jizersky Ultratrail - 18. Juli 2015
Ein Bericht von Aldo Bergmann
„Auf den tollen Lauf!“ Mein Lauffreund Dirk Wiesner und ich heben unsere Biergläser und stoßen an. „Und auf die letzten Meter!“
Wir sitzen in der Talstation des Skiliftes von Josefuv Dul, einem beschaulichen Ort im Isergebirge, Tschechien, und blicken den Skiabfahrtshang nach oben. Dort laufen, nein, besser schleichen, Gleichgesinnte den steilen Anstieg hinauf. Vor uns liegen noch ca. 2 km mit 250 Höhenmetern, dann wird er geschafft sein, der Jizersky Ultratrail, eine Schrumme über 68 km mit 2650 hm im Auf- und Abstieg.
Plötzlich ruft mein Freund: „Da ist ja Steffen!“
Das darf doch nicht wahr sein, man, unser Kumpel Steffen Große hat sich erholt!
Schnell trinken wir aus und los geht es – in Richtung Ziel.
Gleich beenden wir das, was 12 Stunden zuvor begonnen hatte …
Am Rande des Jizerska50 im September 2014 hatten wir von diesem Lauf erfahren, unser Interesse war geweckt. Fast vor der Haustür gelegen, akzeptable Streckenlänge, hinnehmbare Höhenmeter und vor allem günstige Kosten – Läuferherz, was willst du mehr!
Meine Rechnung war einfach: kürzer als der lange Rennsteiglauf, also eine Stunde schneller, einige Höhenmeter mehr, zwei Stunden Aufschlag – klar: in zehn Stunden ist das Ding zu machen!
Es war einmal mehr ein typischer Fall von „Denkste“, und auch das war schneller klar, als gedacht.
Als sich um 7 Uhr 275 Läufer/innen auf Starthöhe 835 m ü. NN in Bewegung setzten und es erst einmal locker 2,7 km und 200 hm bergab ging, war klar, dass es das am Ende auch wieder hinaufgehen muss.
Aber Leute, das was dazwischen lag … Gleich der erste Gegenanstieg mit mehr als 200 hm: ein Skiabfahrtshang! Dann 300 hm runter – durch einen Bach! Wo gibt’s denn sowas?! Wieder mehr als 250 hm hoch – ein extrem steiler Skihang … und, und, und!
So geht es fast den ganzen Tag weiter, das alles in teils traumhafter Landschaft, mit herrlichen Trails, tiefen Tälern mit schroffen Steinen und wilden Wassern – nur im Mittelteil lange Geraden, Beton, Asphalt, kein Schatten – und Hitze, Hitze, Hitze.
Um 16:20 Uhr in Bedrichov, Kilometer 56, werden 32 Grad angezeigt. Aber es sind nach etwas mehr als neun Stunden auch nur noch 12 km. Klar sind 10 Stunden Zielzeit nicht mehr zu schaffen, aber knapp unter elf wird es werden. Dachte ich!
Nachdem ich etwas geschwächelt hatte, war ich inzwischen auf Wiese und Steffen aufgelaufen, der Rest sollte nun gemeinsam bewältigt werden. Aber unser Freund Steffen musste der Strecke und der Hitze Tribut zollen, es ging kaum noch. Eine Mineraltablette sollte ihm helfen, wir mit Wiese setzten unser Tempo nun allein fort. 17:30 Uhr, nur noch ca. 6,5 km vor dem Ziel, erreichte uns die Nachricht von Volker Roßergs, der vierte in unserem Bunde, Zieleinlauf – klasse, wir sind auch gleich da!
Was wir nicht wussten: jetzt bekam der Lauf seine Krone aufgesetzt, das Wörtchen Trail bekam seinen I-Punkt!
Weglos und richtig schwer ging es talwärts, weiter auf kaum erkennbarem Pfad entlang eines Bachlaufes, auf einen Baumstamm über den Bach – und dann endlich, in Josefuv Dul, mal wieder etwa 200 m flach – in Richtung Skihang, dem finalen Anstieg.
Wir waren uns mit Wiese schnell einig: ob eine elf oder zwölf bei der Zielzeit vorn steht, das ist uns jetzt egal, wir gönnen uns hier in der Talstation ein kühles Bier vor dem Finale!
Ja, und plötzlich ruft Wiese: „Da ist ja Steffen!“ Das darf doch nicht wahr sein, man, er hat sich erholt, schleppt sich den Hang hinauf, winkt auf unser Rufen zurück.
Schnell trinken wir aus und los geht es – in Richtung Ziel.
Bald haben wir Steffen ein. Ja, er hat sich erholt, aber nun ist er wohl total am Ende. Wir machen ihm Mut und warten – jetzt lassen wir uns den gemeinsamen Zieleinlauf nicht mehr nehmen, egal, wie lange es dauert!
Und es dauert! Wie viele andere auch schleicht Steffen nur noch, auch wir ziehen ordentlich Luft. Dann aber kommt der Moment des Tages! Steffen weigert sich zwar bis kurz vor dem Ziel strikt, auch nur noch einen Meter zu rennen – rennt dann aber trotzdem – und zu dritt überqueren wir nach 12 Std. 17 min glücklich die Ziellinie.
Ein irres Rennen, eine tolle Landschaft, bei allen Leiden hat das wahnsinnig Spaß gemacht!
Zum Lauf selbst:
Alle Informationen findest du hier, Google-Übersetzer macht dir alles verständlich, und bringt dich wegen der teils dämlichen Übersetzung zum Lachen.
Ich kann den Lauf nur empfehlen, muss aber deutlich sagen, dass hier nur starten sollte, wer auch wirklich trailen will und kann. Das alles ist kein Spaß mehr! Dafür spricht auch, dass von 275 Startern 39 ausgeschieden sind und die Masse hier deutlich langsamer unterwegs war, als ein „normaler“ Trail dauern dürfte.
Mein mit Garmin Oregon 300 aufgezeichneter Track,
wegen des Teil schlechten Empfanges etwas länger und wenige Höhenmeter mehr, aber für GoogleEarth eine gut nachvollziehbare Runde ;)